Kürzlich beim Klassentreffen: „Meine Güte, was hast Du Dich verändert!“ Irritiert drehe ich mich um – keiner da, also bin ich gemeint! Ich – mich verändert? Trotz betont jugendlichem Look und sündhaft teuren Anti-Falten-Cremes? Den Kloß in meinem Hals schlucke ich schnell runter, zaubere ein versteinertes Lächeln auf meine Lippen und nehme den nächstgelegenen Fluchtweg über die Damentoilette.
Sobald mein Puls sich wieder im Normalbereich befindet, kann ich auch wieder nachdenken: Warum ist Veränderung für manchen ein Schreckgespenst?
Veränderung geschieht immer und überall, mit und ohne unser Zutun, ob wir wollen oder nicht. Aber viele Menschen mögen keinen Wandel. Gibt uns doch der gewohnte und vertraute Rahmen Sicherheit und Schutz. Neues können wir schwieriger einschätzen, es verunsichert, verängstigt, bedroht uns gelegentlich.
Aber wie könnten wir uns NICHT verändern in einer Welt, die einer ständigen Entwicklung unterliegt, in der das Feuer entdeckt und das Rad erfunden wurde, Raumschiffe ins Weltall fliegen und alles einem natürlichen Kreislauf unterworfen ist?
Die meisten persönlichen Veränderungen kündigen sich bereits weit im Voraus an, zwar anfangs auf leisen Sohlen, aber kontinuierlich und beharrlich. Was haben wir beispielsweise gedacht, als unser Partner sich plötzlich einen neuen Haarschnitt, ein neues Outfit und neue Hobbys zugelegt hat? Wie haben wir reagiert, als unser bester Freund immer wortkarger, zurückhaltender und reservierter wurde? Wo waren wir, als unser Arbeitgeber eine weitere Umstrukturierung mit weitreichenden Folgen angekündigt hat?
Wir waren da, haben gesehen und gehört, und insgeheim gehofft, dass trotzdem alles bleibt wie es ist. Und wir haben versucht, am Status Quo fest zu halten und die Vorzeichen möglichst lange zu ignorieren. Und „plötzlich“ zwingen uns Veränderungen von außen, mit der neuen, ungewollten Situation zu leben. Wir sind überrascht, traurig oder geschockt.
Jetzt müssen wir gezwungenermaßen unsere Komfortzone verlassen – mit eingeschränkten Handlungsalternativen, unter Zeit- und Ergebnisdruck. Wir können nur noch reagieren. Dabei wäre doch da die Chance gewesen, vorher die Zügel in die Hand zu nehmen und aktiv zu werden. Wir hätten die Weichen selbst auch stellen können, bevor andere für uns die Weichen stellen, unseren Zug in eine andere Richtung lenken und unseren ganzen Fahrplan durcheinanderbringen.
Veränderungen – freiwillige wie unfreiwillige – können den meisten von uns vielfältige ungeahnte Möglichkeiten bieten. Eine faire Option und gute Gelegenheit, sich zu entwickeln und neue (Lebens-)Aufgaben anzunehmen. Dabei hilft es, auf die kleinen Zeichen der Zeit und auf Impulse in unserem Umfeld zu achten, aktiv und entschieden Verantwortung für unser Leben zu übernehmen und unsere persönlichen Ziele zu kennen und kontinuierlich zu verfolgen. Gelegentlich brauchen wir etwas Mut, den Einsatz unserer Stärken und eine Prise Konsequenz. Dann haben wir eine echte Chance, dass WIR UNS im besten Sinne verändern.
Und falls dann beim Klassentreffen jemand zu uns sagt: „Meine Güte, was hast du dich verändert“, sollten wir unser strahlendstes Lächeln aufsetzen und sagen: „Ja, darüber bin ich auch sehr glücklich!“