wiesbadener-tagesblattIm „Wiesbadener Tagblatt“ schreibt Falk Ruckes:

Berufliche Weiter- und Fortbildungen existieren in einer unüberschaubaren Anzahl. In der spezialisierten Welt des 21. Jahrhunderts entstehen laufend neue Berufszweige, beinahe täglich tun sich neue Betätigungsfelder auf. An beruflicher Auswahl fehlt es dem Menschen also nicht – dafür umso mehr an beruflicher Orientierung.
„Es gibt leider viel zu wenig Methoden, um zu erfragen, wer der Mensch ist und welcher Beruf zu seinem Wesen passt“, bedauert Claudia Wissemann, Dozentin an der Volkshochschule Wiesbaden und Coach für berufliche Orientierung.

„Es gibt leider viel zu wenig Methoden, um zu erfragen, wer der Mensch ist und welcher Beruf zu seinem Wesen passt“, bedauert Claudia Wissemann, Dozentin an der Volkshochschule Wiesbaden und Coach für berufliche Orientierung.

In ihrem Workshop versucht sie die Teilnehmer bei der richtigen Berufswahl zu unterstützen. Dabei folgt sie im Gegensatz zu den meisten anderen Berufsberatungen einem ganzheitlichen Ansatz: „Nur wer alle Bereiche seines Lebens und seiner Persönlichkeit berücksichtigt, kann einen Job finden, der ihn wirklich glücklich macht.“

Den Fehler, den jedoch viele in der Arbeitswelt machten, sagt Wissemann, sei eine Tätigkeit entgegen dem eigenen Naturell auszuüben. Die Folgen sind fehlende Freude und Kraftlosigkeit – im schlimmsten Fall sogar der Burnout.

„Stellen Sie sich einfach vor, Sie würden als Rechtshänder mit der linken Hand schreiben. Das ist durchaus erlernbar, aber kostet weit mehr Energie als gewöhnlich“, erklärt die Kursleiterin. Ebenso gibt es Menschen, die beispielsweise eine Banklehre zu Ende gebracht haben und in dem Beruf auch mitunter sehr erfolgreich sind. Doch egal wie groß ihr Talent in diesem Bereich ist: Wenn er gegen die eigenen Vorlieben geht, wird er zum Energiefresser und zehrt sämtliche Kräfte auf.

Bei der Berufswahl besteht für die meisten die Schwierigkeit jedoch gerade darin, dass sie nur wissen, was sie nicht wollen. Was aber ihr wahres Naturell ist und welcher Beruf diesem entspricht, können viele nicht für sich allein beantworten.

Das Seminar von Claudia Wissemann zielt darauf ab, durch zahlreiche Übungen verschiedenster Art die unbekannten Vorlieben und Sehnsüchte der Teilnehmer zu Tage zu fördern. Einer der Wege, das eigene Ich zu ergründen, stellt die sogenannte „Kindheitsübung“ dar. Sie fragt die Teilnehmer über Tätigkeiten ab, denen sie als Kind gern und vor allem freiwillig nachgingen. „Da diese Übung einen sehr spielerischen Charakter besitzt, wird nicht an den Beruf gedacht. Dementsprechend spontan fallen die Antworten aus und offenbaren viel von der jeweiligen Persönlichkeit.“

Häufig gestehen viele der Ratsuchenden bei dieser Übung schuldbewusst ein, dass sie als Kind lieber drinnen als draußen gespielt haben oder ihrer Ansicht nach zu viel Zeit vor dem Fernseher verbrachten. „Dabei gibt es keine falschen Antworten oder Vorlieben“, betont die Dozentin: „Jeder ist richtig, so wie er ist. Es geht nur darum, zu ermitteln, was der innere Kern des Menschen ist.“

So wird über Fragen, ob gern gebastelt wurde oder was oft gespielt wurde, Schritt für Schritt ein Grundtypus der Person erstellt. Neben den Vorlieben wird aber auch nach den verborgenen Fähigkeiten gesucht. „Das Erstaunliche ist, dass viele ihre eigenen Talente gar nicht kennen“, erzählt die Seminarleiterin: „Die meisten wissen nur, wo sie in der Schule gute Noten hatten.“

Dabei gibt es auch hier einfache Übungen, durch die sich die persönlichen Talente ablesen lassen. Menschen, die sich beispielsweise gern in Cafés unterhalten, besäßen ein grundlegendes Interesse an Menschen, erklärt der Berufscoach. Viele Cafégänger ahnten allerdings gar nicht, dass sie sich auch im Beruf für den Kontakt mit Menschen eignen würden.

Damit die Beratung funktionieren kann, arbeitet Claudia Wissemann mit einer ganz kleinen Gruppe: „Ich lasse höchstens acht Personen pro Kurs zu – das allein ermöglicht die intensive Arbeit.“ Am Ende des Seminars wird aus allen Ergebnissen der Tests ein Gesamtbild der Person wie in einem Mosaik zusammengesetzt. Im Anschluss findet eine maßgeschneiderte Ideensammlung statt, die jedem Teilnehmer mindestens drei konkrete Pläne für seine berufliche Zukunft aufzeigt.

Auch die Seminarleiterin ging einst diesen Weg: Sie war früher einmal Betriebswirtin und schildert ihre berufliche Vergangenheit als „durchaus erfolgreich, aber eben nicht glücklich“. Als sie sich auf die Suche nach einem passenderen Job machte, fand sie ebenfalls einen Coach, der ihr einen neuen Weg für Leben und Beruf aufzeigte.

Die Leute, die zu Claudia Wissemann kommen, denken jedoch meist erst über einen neuen Beruf nach, wenn sie durch Kündigung oder Umstrukturierungsmaßnahmen bereits ihren Job verloren haben – selbst wenn sie vorher 20 Jahre unglücklich in ihrem Beruf waren. „Ich möchte mir kein Urteil anmaßen, ob heutzutage mehr Menschen mit ihrer Arbeit unzufrieden sind als früher, aber es denken auf jeden Fall mehr um. Die heutigen wirtschaftlichen Krisen zwingen die Menschen zur Neuorientierung.“ Früher, so mutmaßt sie, haben die Leute noch ihren einmal gelernten Job bis zum Ende ihres Lebens ausgeübt, egal ob sie an ihm Freude hatten oder nicht – der Anstoß zur Veränderung habe schlichtweg gefehlt.

Bereits seit fünf Jahren bietet die Dozentin Workshops für Erwachsene und Jugendliche an, die sich nicht nur mit der richtigen Berufswahl, sondern auch mit Netzwerken, Selbstbewusstseins- und Bewerbungstraining befassen.

An der Volkshochschule Wiesbaden lobt sie nicht nur das überregionale Einzugsgebiet, sondern auch „das große Einzugsgebiet an verschiedenen Menschentypen“, was ihr viele Möglichkeiten eröffne und ihre Arbeit sehr spannend mache.

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